Um es gleich vorweg zu nehmen: Die Wikinger haben nichts mit den Rentierjägern zu tun, denn da liegen mehr als 10.000 Jahre Menschheitsgeschichte zwischen den beiden Kulturen! Aber der Wikingerplatz bei Haithabu ist nicht nur ein schöner Drehort, sondern auch Harm Paulsens Experimentier-Spielwiese.
Harm Paulsen hat zwischenzeitlich am „Ahrensburger Bogen“ weitergearbeitet, so dass heute die nächsten Schritte gefilmt werden können. Außerdem sollen viele Detailaufnahmen der Flintbearbeitung gemacht werden.
Diesmal ist ein Journalist vom Hamburger Abendblatt mit dabei und möchte eine kleine Reportage über unser Filmprojekt schreiben. Harm Paulsen legt wieder sein Steinzeit-Equipment auf den Tisch und erklärt dem Journalisten die Arbeitsschritte der Bogenherstellung. Auch eine Ahrensburger Pfeilspitze wird „knack und knirsch, wie beim Zahnarzt“ zurechtgebrochen.
Dann geht es an den Bogen. Wir üben uns in Geduld, denn das Zurechthobeln dauert seine Zeit. „Etwa zwei bis drei Stunden schätzt Harm Paulsen für diesen Arbeitsschritt mit modernen Werkzeugen. Mit authentischen Werkzeugen aus Flint, dauert es noch ein paar Stunden länger.“
Zum Glück müssen wir nicht ganz so lange warten, da wir einige Schritte überspringen können und beim nächsten Drehtermin nachholen können.
Als wir ein Lagerfeuer fürs Mittagessen entfachen wollen, zeigt uns Harm Paulsen wie man aus ein paar Zeitungsseiten einen Brandbeschleuniger rollt und selbst dicke Holzscheite in Sekundenschnelle ohne Kleinholz entzünden kann. Wir sind einfach nur verblüfft. Aber eigentlich war es ja klar: von einem Mann, der auf 45 Arten Feuer ohne moderne Feuerzeuge machen kann, war es ja auch nicht anders zu erwarten…
Dann geht es an die Detailaufnahmen. Harm Paulsen zeigt, wie man aus Flintsteinen (Feuersteinen) Klingen schlägt. Mit einem Geweihschläger und der richtigen Schlagtechnik, wird eine Klinge nach der anderen vom Flint abgeschlagen. Diese Klingen wurden von den Rentierjägern damals als Ausgangsmaterial für Pfeilspitzen, Schaber, Bohrer, Stichel usw. genutzt.
Auch wir dürfen es versuchen ein paar Klingen abzuschlagen. Ein schier hoffnungsloses Unterfangen für Anfänger – und nicht ganz ungefährlich, denn die Flintklingen sind rasiermesserscharf!
Nach und nach treffen einige Wikingerfreunde ein. Es hatte sich herumgesprochen, dass Harm da ist und gefilmt wird. Immerhin ist Harm Paulsen als Gründer und 1. Vorsitzender des Wikingervereins „Opinn Skjold e.V.“ sozusagen das Wikinger-Oberhaupt von Haithabu.
Nachdem die Decke zu Füßen von Paulsen mit Klingenmaterial übersät ist, fragt er: „Na, wollt ihr noch sehen, wie das älteste Werkzeug der Menschheit hergestellt wird? Ich stelle euch mal einen Faustkeil her, wie ihn der homo erectus verwendet hatte.“
Klar wollen wir das sehen, wenngleich Faustkeile bei den Rentierjägerkulturen schon längst nicht mehr angesagt waren…
Harm Paulsen schnappt sich einen seiner unbearbeiteten Feuersteine und schlägt drauflos. Schon nach wenigen Minuten wird die mandelförmige Struktur des Faustkeils sichtbar. Ungefähr 10 Minuten später ist ein wunderschöner und völlig symmetrischer Faustkeil fertig. Unglaublich! Und ich dachte immer, die Menschen müssen daran Tage gearbeitet haben…Vielleicht haben sie da ja auch und Harm Paulsen ist einfach nur ein Ausnahmetalent?
Mit ordentlich Filmmaterial im Kasten und erfüllt von Harms Zauberkünsten, machen wir uns am Abend wieder auf den langen Rückweg nach Ahrensburg und Hamburg.