Seltsame Feuersteine im Tunneltal

Schon seit 1900 wurden im Ahrensburger Tunneltal Feuersteine (Flintsteine) gefunden, die man für steinzeitliche Werkzeuge hielt. Eine zeitliche Einordnung dieser Funde war jedoch nicht möglich.

Auf dem sogenannten Stellmoorhügel wurden tausende Flinsteinartefakte auf der Erdoberfläche gefunden

 

Alfred Rust – vom Laienforscher zum Entdecker

Alfred Rust wurde im Jahr 1900 in Hamburg geboren.

Als Sohn einer alleinerziehenden Mutter musste er sich früh um den Lebensunterhalt kümmern und machte eine Ausbildung zum Elektriker.

Ab 1923 besuchte der wissensdurstige Rust regelmäßig Kurse an der neugegründeten Volkshochschule in Hamburg. Dabei belegte er auch Vorlesungen bei dem bekannten Prähistoriker Gustav Schwantes. Schon bald erkannte Schwantes das Talent seines Schülers und förderte ihn. Schließlich ermunterte er Rust sogar zu eigener Forschungstätigkeit. Rust folgte dem Rat seines Mentors und  kündigte seine Stellung als leitender Elektrikermeister.

Zusammen mit seinem Freund Kuno Schladetzky startete er 1930 eine Forschungsreise nach Syrien. Da ihnen das nötige Geld für Reisekosten fehlte, bewältigten sie die 4.000 Kilometer mit dem Fahrrad!

Nach einer entbehrungsreichen Reise entdeckten sie dort schließlich die „Höhlen von Jabrud“ –  bis heute einen der wichtigsten paläolithischen Fundplätze des Vorderen Orients!

Beflügelt durch seinen Erfolg in Syrien, beschloss Rust auch das Geheimnis um die rätselhaften Feuersteine aus dem Ahrensburger Tunneltal zu lösen.

 

Auf der Suche nach Beweisen für die Existenz von Eiszeitmenschen – die Entdeckung der „Hamburger Kultur“

Alfred Rust war sich sicher, dass die seltsamen Feuersteine aus dem  Tunneltal sehr alt sein mussten, da sie Werkzeugen eiszeitlicher Rentierjägerkulturen aus Frankreich  – dem Magdalénien – sehr ähnelten.

Die Fachwelt hielt seine Vermutung für sehr unwahrscheinlich, da nach ihrer Ansicht am Ende der Eiszeit noch keine Menschen so weit im Norden überleben konnten.

Rust ließ sich nicht beirren, kündigte erneut seine Stelle als Elektriker und begann  im Sommer 1933 im Meiendorfer Teil des Tunneltals zu graben. Seine Hoffnung war, dass die vermuteten Eiszeitmenschen Kulturreste hinterlassen haben und sich diese über die Jahrtausende womöglich erhalten haben könnten.

Foto: Museum für Archäologie Schloss Gottorf

Die Ausgrabung erwies sich als extrem mühselig, da einströmendes Grundwasser die Arbeit stark behinderte. Zunächst wurde das Grundwasser noch mit Eimern geschöpft, dann kam eine Handpumpe zum Einsatz, die stundenlang bewegt werden musste. Als auch das nicht half, wurden zwei Pumpen mit Dieselmotoren eingesetzt, um die Grabung halbwegs wasserfrei zu halten.

 

 

 

 

Die zermürbende Arbeit im Schlamm wurde nach wochenlanger Arbeit mit der Freilegung eines Rentiergeweihs belohnt.

Da Rentiere nur während der Eiszeit in Norddeutschland vorkamen und das entdeckte Rengeweih außerdem eindeutige Spuren menschlicher Bearbeitung aufwies, war der Beweis erbracht: im Ahrensburger Tunneltal lebten einst eiszeitliche „Rentierjäger“. Im Laufe der weiteren Grabung konnten noch über 2.000 Geweih- und Knochenreste von Rentieren und über 270 Flintwerkzeuge geborgen werden.

Rusts Entdeckung war für die Fachwelt eine Sensation. Nach einem Vorschlag von Prof. Schwantes erhielt die neu entdeckte Rentierjägerkultur den Namen Hamburger Kultur“.

Ihre Kultur konnte auf den Zeitraum von 14.700 bis 13.900 vor heute datiert werden. Sie waren somit die ersten anatomisch modernen Menschen (Homo sapiens), die so weit in den Norden Europas vordrangen.

 

Die Entdeckung der „Ahrensburger Kultur“

Alfred Rust war ein ausgezeichneter Fotograf. Foto: Museum für Archäologie Schloss Gottorf

Nach dem großen Erfolg am Fundort „Meiendorf 2“, wechselte Rust noch im Herbst 1934 ins knapp einen Kilometer entfernte Stellmoor im Ahrensburger Teil des Tunneltals. Auch dieser Grabungsort erwies sich wieder als Volltreffer.

Auf einer Fläche von 1.000 m² konnten in den Jahren 1935/36 sagenhafte 30.000 Fundstücke geborgen werden.

Doch der neue Grabungsort hielt noch eine weitere Überraschung bereit: das Grabungsteam stieß auf eine zweite Rentierjägerkultur, die in einer deutlich getrennten Schicht von der Hamburger Kultur eingebettet lag und andere Werkzeuge und Werkzeugtechniken präsentierte.

Nach ihrem Fundort im Ahrensburger Teil des Tunneltals erhielt sie den Namen „Ahrensburger Kultur“.

Sie existierte etwa von 13.000 bis 11.3000 vor heute.

 

Die Stellmoor Grabung
Foto: Museum für Archäologie Schloss Gottorf

Seit 1976 erinnert ein Rentiergeweih im Ahrensburger Stadtwappen an die Entdeckung der Rentierjägerkulturen im Tunneltal.

Anlässlich der geplanten Feierlichkeiten zum 100. Geburtstag von Alfred Rust, entbrannte in Ahrensburg eine heftige Diskussion über das Wirken Alfred Rusts im NS Ahnenerbe.